Radikale Mehrwertsteuer-Reform geplant

Die Gleichstellung der elektronischen Rechnung mit der Papierrechnung durch die EU-Direktive 2010/45/EU bedeutete durchaus eine vereinfachte Handhabung der E-Rechnung. Allerdings wurden die Herausforderungen nicht gerade kleiner, gerade für international agierende Unternehmen. Unterschiedliche Formate für die elektronische Rechnung, zum Teil vorgeschrieben, zum Teil empfohlen, haben sich mittlerweile in unterschiedlichen Ländern etabliert, nicht selten müssen Clearingstellen einbezogen werden, und bei all dem ist natürlich die Tax Compliance einzuhalten. Die Berücksichtigung der „richtigen“ Verfahren, in Deutschland u.a. durch die GoBD geregelt, stellt sicher, dass man sich steuerkonform verhält und keine Steuernachzahlungen riskiert.

Weitere Herausforderungen, welche die E-Rechnung wie die Papierrechnung gleichermaßen betreffen, kündigen sich an. Die EU-Kommission hat am 4. Oktober 2017 ihre Vorschläge zu einer durchgreifenden Mehrwertsteuer-Reform vorgestellt. Danach soll der grenzüberschreitende Warenverkehr im Herkunftsland nicht mehr wie heute steuerbefreit sein (durch Umkehrung der Steuerschuldnerschaft), sondern soll nach den Steuerrichtlinien der Ziellandes besteuert werden. Praktisch heißt das: Unternehmen A mit Sitz in Deutschland verkauft an Unternehmen B mit Sitz in Österreich eine Ware. Die Rechnung, die heute ohne Mehrwertsteuer ausgestellt würde, würde nach den Vorschlägen der EU-Kommission künftig vom deutschen Unternehmen mit 20 % Mehrwertsteuer ausgestellt werden, da in Österreich dieser Satz gilt. Was zunächst trivial klingt, mündet jedoch in ein komplexes System der Steuerfindung und wird eine Anpassungswelle gängiger ERP- und Buchhaltungssysteme notwendig machen. Zudem soll das Konzept des „zertifizierten Steuerpflichtigen“ eingeführt werden, was durch Registrierung und Nachweis erfolgen soll.

Zwar dürfte es noch eine Weile dauern, bis alle EU-Staaten dem fundamentalen Vorschlag zustimmen, allerdings lohnt es sich durchaus, hier die weitere Entwicklung zu verfolgen. Was der EU-Kommission als Möglichkeit gilt, Steuerbetrug zu verhindern und bis zu geschätzten 50 Milliarden Euro Steuer-Mehreinnahmen zu erzielen, ist für Unternehmen eine Umstellung, deren Auswirkung man nicht früh genug gedanklich vorwegnehmen kann.

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Dr. Rafael Arto-Haumacher

Als Leiter der deutschen Niederlassung von Esker beschäftigt sich Dr. Rafael Arto-Haumacher seit Jahren mit der Automatisierung von Dokumentenprozessen im Bereich des Order-to-Cash und Procure-to-Pay.

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